Die Waidmannssprache ist die Sondersprache der Jäger. Sie ist eine der umfangreichsten Sondersprachen die wir kennen, die über viele Jahrhunderte hinweg entstanden ist. Die Waidmannssprache ist wohl die älteste und zugleich die größte Zunftsprache. Sie ist Kulturgut und unabdingbar mit dem Waidwerk verbunden.

Die Waidmannssprache dient nicht, wie so mancher vermuten mag, zur Abgrenzung der Jäger vom Rest der Welt oder gar als Hilfsmittel zur Verbreitung des Jägerlateins, sondern stellt ein sehr effizientes Mittel zur Beschreibung der Umwelt eines Jägers dar.

Etwa im 12. Jahrhundert (manche behaupten im 7. Jahrhundert und eher) liegen dann die Wurzeln einer jagdlichen Standessprache, die weit über den fachsprachlichen Aspekt hinaus ging und im 16. Jahrhundert zu ihrer vollen Entfaltung kam.

Der Jäger wollte sich in Kleidung, Gehabe und natürlich auch durch seine Sprache als Mitglied seines Standes vom Bürger und vom Bauern abheben. Dass der Waidmannssprache auch heute noch teilweise der Nimbus einer „Geheimsprache“ anhaftet, hat seine Wurzeln in jener Zeit.

Die Jägersprache war nie etwas Starres, sie hat sich laufend verändert. Sie musste sich auf neue Jagdarten und neue Wildarten einstellen. Die heutige Jägersprache orientiert sich dementsprechend an der modernen Jagdpraxis.

Solange die Waidmannssprache nur unter Jägern – und nicht im Gespräch mit Nichtjägern – benutzt wird, bringt sie nachvollziehbare Vorteile: Sie fängt jagdlich wichtige Feinheiten ein, die man mit der normalen Sprache kaum darstellen kann und dient damit einer präzisen Verständigung der Jäger.

Für jemanden, der sich zum ersten mal damit beschäftigt, dürften diese Ausdrücke sehr verwirrend sein, zumal es für ein und dasselbe mehrere verschiedene Begriffe etabliert haben, z.B. das Fell des Rehs nennt sich Decke, während das Fell des Wildschweins sich Schwarte nennt.

Nun darf man, wie bei jeder Sprache, nicht für alle Dinge eine logische Erklärung suchen, man wird sie nur schwerlich finden. Um sich genau in diesem Wirrwarr zurecht zu finden, soll diese Aufbereitung hier im Internet dienen.

Belauschen wir das Gespräch zweier Jäger:

Am 1. Mai sind die Böcke aufgegangen. Ich bin sofort auf Abendanstand gegangen. Auf dem Weg zur Kanzel erblicke ich in der Ferne einen Infanteristen, der noch Schonzeit hat und damit nicht frei war. Als ich nach seinem Geläuf suchte, um am Sporn das Alter zu bestimmen, brach aus der Dickung ein Überläufer aus. Mit meiner Bockbüchsflinte trug ich einen Schuss an. Leider lag der Überläufer nicht im Feuer. An der Anschussstelle konnte ich Schweiß und Losung entdecken, vermutlich ein Waidwundschuss. Nachdem ich den angeschweißten Überläufer krank werden ließ, nahm ich die Nachsuche auf. Die Nachsuche war erfolgreich. Ich habe das Stück vor Ort versorgt und nach dem Aufbrechen den letzten Bissen gegeben.

Dem außenstehenden Zuhörer kommen einige Fragen auf. Wieso gehen Böcke auf? Warum schont man einenunfreien,gespornten Infanteristen und erschießt einen Überläufer, den man eher gefangen nehmen sollte? Wieso schwitzt denn das Tier am 1. Mai so?

Was ist also passiert? Am 1. Mai beginnt die Jagdzeit auf das männliche Reh, dem Bock. Der Abendanstand ist die Ansitzjagd am Abend. Man wartet also auf einer Kanzel bis sich das Wild auf Schussentfernung nähert. Ein Infanterist ist ein Fasan zu Fuß. Seine Jagdzeit beginnt am 1. Oktober. Das Geläuf sind die Fußabdrücke, man kann auch Spur sagen. Die Altersbestimmung erfolgt am Sporn, einer hintere Zehe. Ein Überläufer ist ein männliches Wildschwein im 2. Lebensjahr, also ein Jugendlicher. Eine Bockbüchsflinte ist eine kombinierte Waffe, die oben einen Schrotlauf hat und unten einen Kugellauf (übereinander aufgebockte Läufe). Mit dieser Waffe kann man fast alles in Deutschland vorkommende Wild erlegen und nicht nur Böcke. Im Feuer liegt Wild, wenn der Schuss sofort tödlich ist. Schweiß ist aus dem Körper ausgetretenes Blut. Losung ist Kot. Ein Waidwundschuss ist ein Schuss, der den Bauchraum verletzt hat. Nach dem Schuss lässt man das Wild in Ruhe, damit es in Ruhe verbluten und nicht noch Hunderte Meter flüchtet. Versorgen bedeutet dem Wild die Bauchdecke aufzuschärfen (aufschneiden) und die Innereien herausnehmen. Der letzte Bissen ist die Ehrerbietung gegenüber dem männlichen Wild. Man steckt dem Wild einen Zweig von bestimmten Baumarten in den Äser (Maul).

 

Anglizismus

Auch die Jägersprache ist nicht nicht frei von äußeren Einflüssen. Anglizismen, also Einflüsse der englischen Sprache in die deutsche Sprache, schleichen sich ein.

Ein Beispiel ist das „Monitoring“, was soviel wie Beobachtung oder Überwachung heißt. Hört man Funktionäre oder liest man Fachbeiträge, so ist vom „Hasenmonitoring“ die Rede. Offenbar klingt „Hasenbeobachtung“ irgendwie zu unbedeutend. Genauso verhält es sich mit dem „Wildlifemanagement“ und „Crossover-Strategien“. Ich hoffe, dass sich diese Funktionärssprache nicht in der breiten Jägerschaft durchsetzen wird. Solche Phrasen benutzt auch nicht der einfache Jäger.

Mehr Bedenken habe ich dagegen beim alltäglichen Sprachgebrauch. Man kann beim jagdlichen Schießen mit „Matchwaffen“ schießen. Zur Jagd fährt man mit dem „Sport Utility Vehicle (SUV)“, Jeep oder Offroader, statt mit dem Geländewagen. Schaut man Jagdkataloge durch, dann gibt es „Allround-Schuhe“, Ferngläser mit den Bezeichnungen „Nighthunter“, Werkzeuge die „Multi-Tool“ heißen. Zur Mütze wird Cap gesagt, die Jagdunterhosen heißen „Shorts“. Der gute alte Jagdrücksack wird als „Bag“ bezeichnet.

Es ist Sache der Jägerschaft, die Waidmannssprache zu pflegen und zu erhalten.